2 - Feldforschung als Abenteuer - Die adventure
theory
In Assisi - mit dem Fahrrad auf den Spuren des
Giovanni Bernardone um 2000
Die
„adventure theory“ - der Bluff der „grounded
theory“
Der in Sozialforschung
modisch gewordene Begriff von der „grounded theory“ ist ein Bluff
, man sollte ihn durch den der
„adventure
theory“
ersetzen. Im ursprgl. Sinne heißt „theory“ (das Wort stammt aus dem
Griechischen) soviel wie Einsicht und Gesamtschau. Adventure leitet sich vom
lat. „advenire“ ab, was soviel heißt wie: „ankommen“.
"Ankommen" soll auch der Sozialforscher, der sich in das Feld
begibt, um zu seinen Daten zu gelangen . Bei der qualitativen
Sozialforschung kommt es darauf an, durch gute Beobachtungen und gute Gespräche
Material zu sammeln, auf dem dann Theorien aufgebaut werden. Der
gesamte Prozess des Datensammelns ist dabei (beginnend mit dem
Vorverständnis, das durch Alltagserfahrung, Literatur usw. bedingt ist) ein
fortlaufendes Interpretieren und Überprüfen von Beobachtungen und Aussagen
(bzw. Theorien) (man hat also kein fixes Forschungsprogramm bzw. kein
„Forschungsdesign“).
Die alten Forscher der Chicagoer Schule hätten sich gewundert, dass
das, was sie gemacht haben, später einmal symbolischer Interaktionismus,
interpretative Soziologie (jede Wissenschaft hat mit Interpretationen zu
tun) oder grounded theory usw. heißen wird. Begriffe wie
„sensibilsierende Konzepte“ und „Akte des Kodierens“ klingen wunderbar,
es steckt aber nichts dahinter, das neu wäre. Außerdem hat es jede Art
der Forschung , auch die Urgeschichtsforschung (habe als Student der
Urgeschichte an einigen Ausgrabungen teilgenommen), mit „datenbasierter Theoriebildung“
zu tun, was denn ? Ohne Daten kann man keine Theorien bilden.
Bei einer guten Feldforschung kommt es vor allem auf den Mut an, sich in Situationen zu begeben, in denen das wirkliche Leben sich abspielt,
und dieses beobachtet und auch auf den Fleiß, gute Protokolle zu verfassen und diese laufend zu
interpretieren (alles andere versteht sich von selbst, wie das
stetige Einbringen und Überprüfen von Überlegungen, zu denen man mit viel
Gefühl gelangt).
Eine Forschung im Stil der „adventure theory“ - also ohne künstliche
Vernebelung - macht Freude.
In diesem Sinn habe ich meine 10 Gebote der Feldforschung entwickelt (siehe dazu mein Büchl "10 Gebote der Feldforschung" Lit-Verlag)
Roland Girtler bei seiner Forschung über die Haarfarbe Blond und seine Trägerinnen um 2010